Die homöopathische Mittelwahl folgt keinem einfachen Schema. Sie entsteht aus der sorgfältigen Analyse eines individuellen Beschwerdebildes und dem Vergleich mit den geprüften Arzneien der Homöopathie. Dieser Prozess ist ein zentrales Element der ärztlichen homöopathischen Praxis und verbindet Erfahrung, Beobachtung und systematische Methodik.

Die Grundlage: individuelle Symptome und ihr Gewicht

Jeder Mensch zeigt Beschwerden auf eigene Weise. Deshalb werden Symptome nicht nur gesammelt, sondern gewichtet:
Welche sind ungewöhnlich? Welches Symptom prägt den Fall? Welche Modalitäten (Was bessert? Was verschlechtert?) treten hervor?

Die Summe dieser Merkmale ergibt ein individuelles Muster – das Ausgangspunkt für die Repertorisation ist.


Was ist Repertorisation?

Die Repertorisation ist ein methodischer Schritt, in dem Symptome nach definierten Kriterien geordnet werden. Homöopath:innen nutzen dafür klassische oder digitale Repertorien, die einen systematischen Überblick über bekannte Symptome und ihre zugehörigen Arzneimittel bieten.

Repertorisation bedeutet jedoch nicht, dass ein Rechenprogramm oder eine Tabelle das Mittel „ausspuckt“.
Sie dient vielmehr als Orientierung, um mögliche Arzneien einzugrenzen, die dem individuellen Beschwerdebild ähnlich sein könnten.


Vom Repertorium zur Materia Medica

Nach der Repertorisation beginnt der entscheidende Schritt: der Vergleich mit den Arzneibildern der Materia Medica.

Hier wird geprüft:

  • Welche Arznei zeigt ein wirklich ähnliches Gesamtbild?

  • Stimmen charakteristische Symptome überein?

  • Passen Modalitäten und Reaktionsweisen?

  • Gibt es biografische Parallelen oder typische Muster?

Erst dieser Vergleich ermöglicht eine differenzierte Entscheidung, die weit über die reine Symptomentabelle hinausgeht.


Wie entsteht die Mittelwahl?

Die Mittelwahl orientiert sich an der Ähnlichkeitsregel:
Das Arzneimittel, dessen Bild dem individuellen Beschwerdebild am nächsten kommt, wird gewählt.

Einbezogen werden:

  • Art, Qualität und Verlauf der Beschwerden

  • körperliche und emotionale Reaktionen

  • die Gesamtsituation des Menschen

  • konstitutionelle Faktoren

  • Begleiterkrankungen

  • aktuelle Belastungen und Auslöser

So entsteht eine maßgeschneiderte therapeutische Entscheidung, die sich weder auf Standardlisten noch auf Pauschalempfehlungen stützt.


Potenzwahl und Dosierung

Die Wahl der Potenz und der Dosierung ist eine fachliche Entscheidung der behandelnden Person.
Sie richtet sich nach:

  • Tiefe und Art der Erkrankung

  • Sensibilität des Patienten

  • akuter oder chronischer Verlauf

  • bisherigen Reaktionen auf Arzneien

  • allgemeinen gesundheitlichen Voraussetzungen

Homöopathische Ärztinnen und Therapeuten wählen die Potenz so, dass sie die Regulation optimal unterstützt – nicht zu stark, nicht zu schwach.


Die Rolle moderner Diagnostik

Die Mittelwahl steht nicht im Gegensatz zur konventionellen Diagnostik. Im Gegenteil:
Körperliche Untersuchung, Laborwerte, bildgebende Verfahren oder funktionelle Diagnostik können wichtige Hinweise liefern, besonders bei komplexen oder länger bestehenden Beschwerden.

Homöopathie arbeitet integrativ:
Sie ergänzt schulmedizinische Erkenntnisse durch eine fein differenzierte individuelle Betrachtung.


Zusammenfassung

Repertorisation und Mittelwahl sind zentrale Schritte der homöopathischen Behandlung. Sie verbinden:

  • sorgfältige Beobachtung

  • systematische Analyse

  • individuelle Beurteilung

  • und den Vergleich mit bewährten Arzneibildern

So entsteht eine Behandlung, die auf den Menschen zugeschnitten ist – nicht auf eine Liste von Symptomen.

Weitere interessante Themen:

Von Praxis der Homöopathie:
→ „Weiterführend: Repertorisation & Mittelwahl“

Von Heilungsverlauf:
→ „Wie entsteht die Auswahl eines homöopathischen Mittels? Hier weiterlesen.“

Von Selbstmedikation:
→ „Warum Mittelwahl in der professionellen Behandlung anders funktioniert“

Von Grundlagen:
→ „Zur praktischen Umsetzung der Ähnlichkeitsregel“