Wir alle kennen die Situation: wir „hängen in den Seilen“, fühlen uns schlapp, aber wir haben noch keine konkreten Krankheitssymptome, vermutlich haben wir uns irgendwo angesteckt und morgen sind wir krank, so lief das schon oft. Wir haben aber auch schon erlebt, dass wir eine Krankheit, z.B. eine Mandelentzündung oder einen grippalen Infekt, überstanden haben, die Symptome wie Halsschmerz, geschwollene Mandeln, Kopf- und Gliederschmerzen sind verschwunden. Vielleicht haben sich auch schon die Laborbefunde (z.B. Blutbild, Entzündungszeichen) normalisiert, die Ihr Hausarzt zur Sicherheit abgenommen hatte. Situationen also, in denen wir noch nicht oder nicht mehr richtig krank sind. Wir spüren also nur die Schwäche, Abgeschlagenheit, Müdigkeit oder auch Lustlosigkeit.

Schwäche ist Mangel an der Energie, die wir als selbstverständlich wahrnehmen, solange sie vorhanden ist. Im Grunde ist sie ein Phänomen, für das sich die konventionelle Medizin nicht wirklich interessiert. Im Gegensatz zur Elektrizität gibt es kein Messgerät für ihren Nachweis, also nehmen wir lieber das in den Fokus, was wir wirklich sehen und messen können: die Eiterstippchen auf den Mandeln, die erhöhte Zahl weißer Blutkörperchen, eine veränderte Zusammensetzung des Urins. Darauf baut die konventionelle Medizin ihre Diagnose und leitet hiervon die geeignete, wenn möglich „leitlinien-konforme“ Therapie ab. Das ist einerseits sinnvoll und korrekt, aber andererseits auch ein bisschen willkürlich. Denn wir lassen normalerweise all jene Teile eines individuellen Symptomen-Mosaikes einfach weg, mit denen wir im Rahmen unserer herkömmlichen Medizin nichts anfangen können.

Wir tun also so, als wären wir auch ohne diese energetischen Phänomene dieselben Menschen: eine Ansammlung von Molekülen, in Geweben und Funktionskreisen irgendwie angeordnet, und wenn nicht objektiv „krank“, dann eigentlich „gesund“. Schwarz oder weiß, tot oder lebendig.

Nun ist die Homöopathie ja nicht das einzige Medizinsystem, das ein energetisches Prinzip als notwendig annimmt: auch Ayurveda und Yoga kennen z.B. Prana als eine Manifestation von Lebensenergie. Ebenso kennt die traditionell chinesische Medizin im „Chi“ eine Quelle von Kraft, die wir als „Vitalität“, Frische oder Leistungsfähigkeit wahrnehmen. Hahnemann war mit dem wissenschaftlichen Blick seiner Zeit ein vorurteilsloser Beobachter und bezeichnete mit „Lebenskraft“ eine übergeordnete Energie, die alle Lebensfunktionen steuert. Man könnte auch sagen: dieses energetische Feld ist es, das unsere vielfältigen körperlichen, geistigen und seelischen Funktionen wie ein Perpetuum mobile in Bewegung hält. Fehlt die Energie, dann sind wir tot, alle Teile des Mobile sind noch vorhanden, liegen aber am Boden und nichts bewegt sich mehr.

Jeder und jede von uns kann es selbst ausprobieren: die Schwäche spüren, ein paar weitere unspezifische Krankheitssymptome hinzunehmen und die geeignete homöopathische Arznei in guter Zubereitung und ausreichender Wirkstärke („Potenz“) als Globuli oder Tropfen auf die Zunge nehmen.

Beispiele

  • Ein Beispiel: eine 83-jährige, eigentlich rüstige Patientin ist 3 mal gegen Corona geimpft, hat sich jetzt aber bei einem PCR-positiven Enkel angesteckt, die Krankheit mit mäßigen Symptomen durchgemacht und überstanden, sie ist inzwischen selbst „freigetestet“, fühlt sich aber seit 3 Wochen absolut schwach, es sei eine zittrige Schwäche, zusätzlich und erst seit der Corona-Infektion muss sie ständig aufstoßen, ihr ist immer latent übel und der Bauch ist gebläht bei ansonsten normalem Stuhlgang. Sie hatte keinen Geschmacksverlust, wie er bei Corona immer wieder vorkommt, aber sie hat ständig einen bitteren, z.T. auch säuerlichen Mundgeschmack. Theoretisch passt das Symptomen-Mosaik recht gut zum Arzneimittel China, sie erhält die Arznei einmalig in der Potenz C 200 und die Theorie wird durch die Praxis bestätigt: zwei Tage später  ist die Kraft zu fast 90 % wiederhergestellt, die Geschmacksstörung ist verschwunden, die Bauchsymptomatik deutlich besser, aber noch nicht ganz weg. Sie ist sehr erleichtert, weil sie vermutet hatte, dass sie in ihrem Alter jetzt auch noch an einem Post-Covid-Syndrom leiden würde. Das Ergebnis ist auch für den homöopathischen Behandler überraschend: eine derartig rasche und nahezu vollständige Wiederherstellung der Kraft ist auch deshalb erstaunlich, weil die Anamnese nur kurz und unspektakulär war und auch aus Therapeutensicht nicht unbedingt mit einer so schnellen Besserung bei der doch über 80-jährigen Dame zu rechnen war.
  • Noch ein Beispiel: Wenn nach einem grippalen, meist viralen Infekt „nur“ noch ein Gefühl der allgemeinen Schwäche und Schwere in den Beinen übrig bleibt, dann gibt es eine immer wieder bewährte Arznei: Gelsemium! Betroffene berichten vielleicht, sie hätten „sich von dieser letzten Grippe nicht mehr erholt“, es bleibt das Gefühl übrig, der Kopf sei zu schwer, es koste Mühe die Augen offen zu halten, und in den Beinen gibt es ein Zittern aus Schwäche. Margaret Lucy Tyler, eine unserer großen Lehrerinnen der Homöopathie, beschreibt Gelsemium zusätzlich noch so:“ „Es hat sich herausgestellt, dass Gelsemium auch eine prophylaktische Wirkung bei Grippeepidemien haben kann.“ Wir sehen also, dass Gelsemium im Zusammenhang mit fieberhaften Virusinfekten sowohl ein prophylaktischer „Kraftspender“ sein kann, darüber hinaus aber auch einen Ausweg aus der Schwäche einer „verzögerten Rekonvaleszenz“ zeigen kann.

Also: ausprobieren! Sich überzeugen lassen! Nicht auf die Unkenrufe von Homöopathie-Kritikern hören, sondern auf unsere Lebenskraft, die wir mit geeigneten homöopathischen Arzneien stärken können! Was spricht dagegen, es mit gut gewählten homöopathischen Arzneien zu versuchen?

Dr. Ulf Riker, Internist / Homöopathie