Vor einem Jahr gab es im Gesundheitswesen der Schweiz einen Umbruch. Nach langer Diskussion um die Homöopathie in der Grundversorgung kam der Gesamtbundesrat im letzten Sommer zu einem Beschluss: Die homöopathische Behandlung ist in den Leistungskatalog der Schweizer Grundversicherung aufgenommen worden und zeitlich unbegrenzt für jedermann zugänglich.

Doch wie kam es zu diesem Beschluss? Wie verlief die Diskussion? Und wie verhält sich Deutschland in der Frage um die Etablierung der Homöopathie im Gesundheitssystem?

Schweiz: Homöopathie hat WZW-Nachweis erbracht

Die gesetzliche Voraussetzung für die Aufnahme einer Behandlungsform in die Schweizer Grundversicherung ist der WZW-Nachweis (wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit) einer ärztlichen Therapie.

Der Gesamtbundesrat der Schweiz hat Mitte 2017 beschlossen, dass die Homöopathie den WZW-Nachweis erfüllt und zeitlich unbegrenzt in den Leistungskatalog der Schweizer Grundversicherung aufgenommen wird – damit wurde auch eine der zentralen Forderungen einer Verfassungsabstimmung umgesetzt.

Das Schweizer Volk hatte sich bereits im Jahr 2009 bei einer Volksabstimmung mit einer Zweidrittel-Mehrheit dafür ausgesprochen, dass Komplementärmedizin wie die Homöopathie im Gesundheitswesen berücksichtigt werden soll. Darüber hinaus waren die anthroposophische Medizin, der traditionell chinesischen Medizin und die Phytotherapie (Pflanzenheilkunde) medizinische Felder, die zur Diskussion standen.

HTA-Bericht des Schweizer PEK

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Schweiz hatte bereits im Rahmen des Programms Evaluation Komplementärmedizin (PEK) (1998 bis 2005) ein Health-Technology-Assessment (HTA) durchgeführt. Der HTA-Bericht kommt zur Schlussfolgerung:

„Die Wirksamkeit der Homöopathie kann unter Berücksichtigung von internen und externen Validitätskriterien als belegt gelten, die professionelle sachgerechte Anwendung als sicher.“ (Effectiveness, Safety and Cost-Effectiveness of Homeopathy in General Practice – Summarized Health Technology Assessment; Forsch Komplementärmed 2006;13(suppl 2):19–29).

Behandlungserfolg im Vordergrund

Die Homöopathie und die konventionelle Medizin werden bei der Beurteilung der Leistung in der Schweiz, anders als in Deutschland, grundsätzlich gleichgestellt. Dabei steht der Behandlungserfolg im Vordergrund. Demnach wird auch die sogenannte Versorgungsforschung berücksichtigt: Sie analysiert die alltägliche medizinische Praxis und beleuchtet in langfristigen klinischen Studien die Versorgung des Patienten.

Cornelia Bajic, 1. Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ), erklärte dazu in der Ärzte Zeitung: „Wer heute behauptet, es gebe keine qualitativ hochwertigen Studien, die den therapeutischen Nutzen der ärztlichen Homöopathie belegten, liegt falsch“, so Bajic, „insbesondere große Beobachtungsstudien, die die Wirksamkeit von Interventionen in der alltäglichen medizinischen Praxis messen, zeigen in der Summe ein relativ einheitliches Bild: Bei Patienten, die sich homöopathisch behandeln lassen, treten im klinischen Alltag relevante Verbesserungen auf – ähnlich stark ausgeprägt wie in der konventionellen Therapie.“

Ein Netzwerk aus Wissenschaftlern und Ärzten, die Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie (WissHom), hat darüber hinaus auch die Grundlagenforschung, Meta-Analysen sowie individualisierte RCT zur Homöopathie untersucht. Bereits Mitte 2016 kam WissHom zum Ergebnis: „Eine zusammenfassende Betrachtung klinischer Forschungsdaten belegt hinreichend einen therapeutischen Nutzen der homöopathischen Behandlung. Die Ergebnisse zahlreicher placebo-kontrollierter Studien sowie Experimente aus der Grundlagenforschung sprechen darüber hinaus für eine spezifische Wirkung potenzierter Arzneimittel.“

Eingehende Prüfung

Die Anerkennung der Homöopathie durch den Beschluss in der Schweiz ist das Ergebnis einer rund 20-jährigen Evaluation. Der Dialog rund um den Prozess war die Nahtstelle zwischen Wissenschaft, Ärzteschaft, Wirtschaft und Politik, in dem alle Stimmen bezüglich der Debatte zu Wort kamen.

Dr. Hansueli Albonico, Arzt in der Schweiz, schildert seine Auffassung des Prozesses: „Wir konnten […] einen zusehend fruchtbaren und ergebnisreichen Dialog mit allen Playern entfalten. In den letzten anderthalb Jahren fanden die Gespräche dann innerhalb eines Expertenkomitees statt.“ (zum Interview)

Der Prozess, der zu dem Beschluss führte, fand unter der Leitung des Schweizer Departements des Innern (EDI) statt. Beteiligt waren Vertreter der Universitäten und der Wissenschaft, der Versicherer, der Komplementärmedizin und der Patienten. „Die Ausführung fand unter den gesetzlichen Vorgaben des Kranken- und Versicherungsgesetzes statt. Auch die komplementärmedizinischen Methoden müssen der Wissenschaftlichkeit Genüge tun und den WZW-Nachweis – Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit – erbringen.“, berichtet Dr. Albonico.

Mit dem Entscheid erkennt die Schweizer Regierung an, dass Komplementärmedizin die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich Wirksamkeit, Gewährleistung hoher Qualität und Sicherheit erfüllt (Art. 32 Voraussetzung KVG).

Homöopathie in Deutschland

In Deutschland werden die ärztlichen Leistungen der komplementären Heilmethoden nicht als Regelleistung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet, obgleich viele Bundesbürger an ärztlicher Homöopathie interessiert sind.

Eine (vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. beauftragte) Forsa-Umfrage machte bereits im Juli 2017 folgendes deutlich: Über  70 Prozent der Befragten finden es persönlich wichtig bis sehr wichtig finden, dass Krankenkassen ihren Versicherten auch die Kosten für Leistungen aus dem Bereich der homöopathischen Medizin erstatten. Den Patienten sollte das gesamte Therapiespektrum zur Verfügung stehen, ungeachtet ihrer eigenen finanziellen Möglichkeiten.

Im Rahmen von Selektivverträgen erstattet rund zwei Drittel der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die ärztliche Homöopathie. Die Voraussetzung: Die Behandlung muss von einem Vertragsarzt durchgeführt werden, der über die ärztliche Zusatzbezeichnung Homöopathie oder das Homöopathie-Diplom des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) verfügt.
In Deutschland besitzen allein 7.000 Ärzte die Zusatzbezeichnung Homöopathie. Diese wird nach einer Weiterbildung im Anschluss an ein Medizinstudium von der deutschen Ärztekammer vergeben. Sie ist ein wichtiger Bestandteil der Patientenversorgung und Qualitätssicherung.

Die Schweiz als Vorbild

Dass die Homöopathie kein Allheilmittel ist, steht außer Frage. Doch hat sie das Potential als wichtige Ergänzung der konventionellen Medizin zu wirken. Gerade in einer Gesellschaft mit immer mehr chronisch erkrankten Menschen kann sie den hohen medizinischen Herausforderungen durchaus gerecht werden und in der Patientenversorgung die konventionelle Medizin ergänzen.

In Anbetracht der vorangegangenen Erkenntnisse wird eines ganz deutlich: Es besteht noch viel Aufklärungs- und Forschungsbedarf in der Homöopathie. Das sieht die deutsche Bevölkerung ganz ähnlich: Laut Forsa (2017) fordern 72 Prozent der Deutschen, „der Staat soll die Forschung zur Wirksamkeit der Homöopathie durch gezielte Förderprogramme unterstützen„.

 

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