Berlin, 25. September 2025. Der SPD-Landeverband Hamburg hatte für den SPD-Bundesparteitag 2025 einen Antrag mit dem Titel „Kein Sonderrecht für wirkungslose Präparate“ gestellt. Dieser explizit gegen die Homöopathie gerichtete Antrag G 28 wird hier von Dr. med. Mirko Berger auf seine Stichhaltigkeit untersucht. Das Fazit: Die im Antrag angeführten Forderungen sind mit den vorliegenden Fakten zur Wirksamkeit der Homöopathie nicht vereinbar.
Die SPD Hamburg hatte für den ordentlichen Bundesparteitag 2025 den Antrag G 28 eingereicht, bereits im Titel wird a priori unterstellt, Homöopathie sei grundsätzlich wirkungslos. Die SPD-Bundestagsfraktion wird aufgefordert gesetzgeberische Konsequenzen im arzneimittelrechtlichen Umgang mit homöopathischen Arzneimitteln zu ziehen.
Zunächst einmal: Es ist zweifellos nicht die Aufgabe politischer Parteien oder der Politik insgesamt, die Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen zu beurteilen. Dies kann ebenso zweifellos nur in Bezugnahme auf wissenschaftliche Daten erfolgen. Der oben genannte Antrag lässt diese Bezugnahme vermissen. Er nennt keine Quellen, welche die verfügbare Evidenz zur Wirksamkeit der Homöopathie umfassend darlegen.
Bedauerlicherweise ist das oben genannte Vorgehen (zumindest von Teilen) der SPD gegen die Homöopathie kein Einzelfall. 2024 hat das seinerzeit SPD-geführte Bundesgesundheitsministerium einen Vorstoß unternommen, wegen angeblicher Wirkungslosigkeit den Krankenkassen die freiwillige Erstattung homöopathischer Leistungen zu verbieten (GVSG). Auch für diesen Gesetzentwurf wurde keine inhaltliche Begründung genannt. Nach diversen Anfragen, zum Beispiel durch den Deutschen Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) und anderer Institutionen, blieb das Bundesgesundheitsministerium eine sachlich tragfähige Antwort schuldig.
Gesetzesinitiativen, die lediglich auf spekulativen Meinungen oder einseitigen Quellenangaben beruhen, untergraben die Glaubwürdigkeit eines wissensbasierten Gesundheitssystems. Insbesondere in Zeiten, in denen Wissenschaftsleugnung und Fake-News um sich greifen, ist die Bezugnahme auf wissenschaftliche Daten, deren vorbehaltlose, kritische Beurteilung und transparente Kommunikation unverzichtbar.
Die im Antrag angeführten Forderungen sind mit den vorliegenden Fakten zur Wirksamkeit der Homöopathie nicht vereinbar
Dazu finden Sie im Folgenden wissenschaftlich basierte Daten. Darüber hinaus ist Ihnen möglicherweise nicht bekannt, warum homöopathische Einzelmittel über eine Registrierung und nicht über eine Zulassung verfügen. Auch zu dieser Frage finden Sie eine Erläuterung. Abschließend erlaube ich mir kritisch zu hinterfragen, warum ein Hinweis auf (vermeintliche) Unwirksamkeit nur für die Homöopathie gelten soll, nicht aber für andere, tatsächlich unwirksame medizinische Maßnahmen.
▶️ Kontrollierte Studien (RCTs)
Es liegen die Ergebnisse von mehr als 300 Doppelblindstudien vor, die in Fachzeitschriften veröffentlicht und zuvor durch unabhängige Experten begutachtet wurden (Peer Review Verfahren). Die Mehrheit der Studien zeigt: Homöopathie ist statistisch signifikant wirksamer als Placebo. Um den Schluss ziehen zu können, Homöopathie sei unwirksam, müssten die Ergebnisse von zumindest 90 Prozent der vorhandenen kontrollierten Studien außer Acht gelassen werden (1-3).
▶️ Metaanalysen
Eine vollständige und aktuelle Übersichtsarbeit (sog. Systematisches Review) wurde im Oktober 2023 in der renommierten Zeitschrift Systematic Reviews veröffentlicht (4). Alle 6 vorliegenden Homöopathie-Metaanalysen placebokontrollierter Studien zu jeglicher Indikation wurden gemäß aktuell gültigem wissenschaftlichem Standard ausgewertet. Das Ergebnis: Die Übersichtsarbeit zeigt also eindrucksvoll, dass Homöopathie als Therapie-form insgesamt wirksam ist.
▶️ Beobachtungsstudien
Beobachtungsstudien belegen den Nutzen einer (ggf. zusätzlichen) homöopathischen Behandlung in der realen medizinischen Alltagsversorgung oft schwer kranker Menschen. Ihre Ergebnisse sprechen dafür, dass Homöopathie
- langfristig wirksam ist (6-10),
- helfen kann, Antibiotika einzusparen (11-14),
- Nebenwirkungen konventioneller Behandlungen reduzieren kann (15,16) und
- begleitend in der Krebsbehandlung das allgemeine Wohlbefinden verbessern kann (17-20).
▶️ Medizinische Leitlinien
Auf der Grundlage von Studienergebnissen wurde die zusätzliche homöopathische Behandlung bei Krebspatienten als Behandlungsoption in die ärztliche S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ aufgenommen-
▶️ Grundlagenforschung
Dass auch sog. Hochpotenzen (ohne nachweisbares pharmakologisch wirkendes Substrat) wirksam sind, unterstreichen methodisch hochwertige und replizierte Grundlagenexperimente außerhalb des lebenden Organismus mit pflanzlichen, tierischen oder physikalisch-chemischen Modellen (21-24). Bei diesen Untersuchungen, im Übrigen ebenso wie bei Doppelblindstudien, sind Placeboeffekte prinzipiell ausgeschlossen.
▶️ Hinweispflicht – nur für Homöopathie?
Der Antrag fordert nicht, grundsätzlich auf die fehlende Wirksamkeit von Medikamenten oder medizinischen Maßnahmen hinzuweisen – er fokussiert einseitig auf die Homöopathie. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass es den Antragstellern nicht um einen an sich begrüßenswerten Verbraucherschutz geht, sondern explizit um die Stigmatisierung homöopathischer Medikamente. Wie ausgeführt wäre ein Hinweis auf den „fehlenden Wirkungsnachweis“ homöopathischer Medikamente sachlich falsch. Demgegenüber gibt es eine Vielzahl von konventionellen Medikamenten, für die ein Wirksamkeitsnachweis aussteht.
▶️ Zulassung vs. Registrierung
(Zulassungs-) Studien bewerten die Wirksamkeit eines (konventionellen) Medikamentes bei einer bestimmten Indikation/Erkrankung. Demgegenüber kommen in Studien mit homöopathischen Einzelmitteln bei einer bestimmten Indikation/Erkrankung verschiedene homöopathische Arzneimittel zum Einsatz (gemäß dem Ähnlichkeitsprinzip). Im Gegensatz zu einer konventionellen Arzneimittelstudie geht es also nicht um den Wirknachweis für ein einzelnes homöopathisches Arzneimittel. Vielmehr geht es um den Nachweis, dass die Homöopathie insgesamt bei dieser Indikation wirksam ist – also die Behandlung mit verschiedenen Einzelmitteln, je nach individueller Symptomatik der Patienten.
Quellen
1. Hahn, R.: Homeopathy: meta-analyses of pooled clinical data. Forsch 2013;20(5):376-81
2. faktencheck-homöopathie.de/studien-wissenschaft/studien/kontrollierte-studien/#toggle-id-1
3. ikim.unibe.ch/forschung/uebersichten_zum_stand_der_forschung/homoeopathie/metaanalysen_zu_spezifischen_krankheitsbildern/index_ger.html
4. Hamre et al: Efficacy of homoeopathic treatment: Systematic review of meta-analyses of randomised placebo-controlled homoeopathy trials for any indication. Systematic Reviews 12, 191 (2023)
5. faktencheck-homöopathie.de/studien-wissenschaft/studienqualitaet/
6. Rossi et al: Homeopathic therapy in pediatric atopic diseases: short- and long-term results. Homeopathy 2016 Aug;105(3):217-224.
7. Spence et al: Homeopathic treatment for chronic disease: a 6-year, university-hospital outpatient observational study. J Altern Complement Med. 2005 Oct, 11(5):793-8
8. Witt et al.: How healthy are chronically ill patients after eight years of homeopathic treatment? – Results from a long term observational study. BMC Public Health 2008, 8:413
9. Witt et al: Homeopathic treatment of patients with chronic headache – a prospective observational study with a follow-up over two years. Forsch Komplementmed 2009, 16:227-235
10. Witt et al: Homeopathic treatment of patients with chronic sinusitis: a prospective observational study with 8 years follow-up. BMC Ear Nose Throat Disord 2009, 9:7
11. faktencheck-homöopathie.de/wpcontent/uploads/2021/05/DZVhAe_ Homoeopathie-im-Kontext-von-Antibiotika-Verschreibungen-und-Resistenzen.pdf
12. Grimaldi-Bensouda et al.: Management of upper respiratory tract infections by different medical practices, including homeopathy, and consumption of antibiotics in primary care: the EPI3 cohort study in France 2007-2008. PLoS One, 2014; 9
13. Shang et al: Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeopathy and allopathy. 2005 Aug 27-Sep 2;366(9487):726-32 (Seite 729).
14. Programm Evaluation Komplementärmedizin (PEK): Schlussbericht. www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/kuv-aufsicht/stat/rapports-de-recherche/programm-evaluation-komplementaermedizin-pek.pdf.download.pdf/ Programm%20Evaluation%20Komplementärmedizin%20(PEK).pdf
15. Rossignol et al: Impact of physician preferences for homeopathic or conventional medicines on patients with musculoskeletal disorders: results from the EPI3-MSD cohort. Pharmacoepidemiol Drug Saf. 2012 Oct, 21(10):1093-101
16. Grimaldi-Bensouda: Homeopathic medical practice for anxiety and depression in primary care: the EPI3 cohortstudy. BMC Complement Altern Med. 2016 May 4:16:125
17. Frass et al: Influence of adjunctive classical homeopathy on global health status and subjective wellbeing in cancer patients – A pragmatic randomized controlled trial. Complement Ther Med. 2015;23:309-17.
18. Rostock et al: Classical homeopathy in the treatment of cancer patients – a prospective observational study of two independent cohorts. BMC Cancer. 2011 Jan 17, 11:19
19. Thompson et al: The homeopathic approach to symptom control in the cancer patient: a prospective observational study. Palliat Med. 2002 May, 16(3):227-33
20. Thompson et al: The homeopathic approach to the treatment of symptoms of oestrogen withdrawal in breast cancer patients. A prospective observational study. Homeopathy. 2003 Jul, 92(3):131-4
21. Doesburg et al.: Empirical investigation of preparations produced according to the European Pharmacopoeia monograph 1038. European Journal of Pharmaceutical Sciences, 137 (2019)
22. faktencheck-homöopathie.de/grundlagenforschung/
23. Universität Bern, Institut für Komplementäre und Integrative Medizin: Homöopathie: Übersicht zum Stand der klinischen Forschung in der Homöopathie. www.ikim.unibe.ch/forschung/uebersichten_zum_stand_der_forschung/homoeopathie/index_ger.html
24. Witt et al.: The in vitro evidence for an effect of high homeopathic potencies-A systematic review of the literature. Complement Ther Med. 2007;15(2):128-38
Der Autor
Dr. med. Mirko Berger, Hamburger Facharzt für Allgemeinmedizin und Anästhesie hat sich auf Homöopathie und naturheilkundliche Verfahren spezialisiert. Das von ihm gegründete Deutsche Netzwerk für Homöopathie betreibt zwei Internetportale:
- www.homoeopathie-heute.de bietet praktische und verlässliche Informationen rund um die Homöopathische und hilft bei der Suche nach passenden homöopathischen Arzneien.
- www.faktencheck-homöopathie.de ist auf die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie fokussiert und stellt umfangreiche Studienergebnisse aus der klinischen und der Grundlagenforschung zusammenfassend zur Verfügung.
Thema: Hamburger SPD-Antrag gegen Homöopathie liegt jetzt bei der Bundestagsfraktion
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