Dr. Beate Vollmer ist Gynäkologin in München. Seit rund 30 Jahren behandelt sie Patientinnen mit Wechseljahrsbeschwerden – auch mit Hilfe der Homöopathie. Im Interview erklärt sie zum Beispiel, welche Risiken mit einer Hormonersatztherapie verbunden sind und welche Maßnahmen gut helfen können.

Frau Dr. Vollmer, was sind die häufigsten Symptome, die bei Patientinnen während der Wechseljahre auftreten können?

Typischerweise handelt es sich dabei um Blutungsstörungen, Hitzewallungen, Schlafrhythmusstörungen, gelegentlich tritt eine Herzsymptomatik auf. Hinzu kommen ungewohnte seelische Stimmungslagen. Wichtig zu wissen ist, dass – außer vielleicht bei den zu starken und zu häufigen Blutungen – nicht die absolute Höhe des hormonellen Blutspiegels die Symptome auslöst, sondern die Umstellung. Diese macht uns empfindlicher, „durchlässiger“ für nicht verarbeitete Erlebnisse und Themen aus der Vergangenheit, die nicht zu Zeiten aufgearbeitet werden konnten, weil andere Dinge im Vordergrund standen. Gerade am Beispiel der Hitzewallungen lässt sich das gut verdeutlichen: Das ist eine hohe Energie aus dem Inneren der betroffenen Frau, die sich da Bahn bricht und ans Licht will. Es lohnt sich immer hinzufühlen, worum es gehen kann, was da Beachtung sucht. Ebenso bei Schlafstörungen ist es eben nicht zielführend, sich zu ärgern oder gar zu Schlafmitteln zu greifen, sondern Gedanken und Gefühle kommen zu lassen und zu spüren, womit sie zu tun haben können, ob sie an was erinnern.

Können alle Symptome, die in den Wechseljahren auftreten, Ihrer Erfahrung nach homöopathisch behandelt werden?

Ja, im Prinzip können alle Symptome homöopathisch behandelt werden. Durch vorherige Untersuchungen müssen krankhafte Ursachen ausgeschlossen werden, die eine alleinige homöopathische Behandlung verbieten könnten, ich denke da beispielsweise an Krebserkrankungen.

Viele Patientinnen versuchen, sich selbst zu helfen. – Auch mit Homöopathie. Ist eine homöopathische Selbstbehandlung von Wechseljahrsbeschwerden sinnvoll?

Es muss die Theorie der Lehre in ihrer Ganzheit verstanden und gelernt sein, um Symptome in ihrer Vollständigkeit zu erfassen. Es müssen Symptome aus allen Ebenen, also körperliche, seelische und geistige, aufgenommen und hierarchisiert werden, um nur einige Richtlinien Hahnemanns zu nennen. Sonst gleicht die Suche nach der wirksamen Arznei dem Stochern nach der Stecknadel im Heuhaufen und die Enttäuschung wird der Homöopathie zugeschrieben. Die Behandlung eines Teils sollte nie versucht werden ohne die Behandlung des Ganzen.

Was halten Sie von der sogenannten Hormonersatztherapie? Welche Chancen und Risiken hat sie?

Die Hormonersatztherapie (HET) kann in Einzelfällen hilfreich sein, schwerere Symptomatiken zu lindern und Zeit zu gewinnen, bis eine Frau sich auf die veränderte hormonelle Situation einlassen kann. Immer mal wieder gibt es Frauen, die sich beruflich oder gesellschaftlich so unter Druck fühlen, dass sie sich dazu zunächst nicht in der Lage sehen. Eine HET muss immer unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. Risiken sind Thrombosen und die Leberbelastung; man findet auch eine erhöhte Rate an Brustkrebs. Die Gebärmutterschleimhaut und die Eierstöcke sollten regelmäßig mit Ultraschall untersucht werden.

Kann eine homöopathische Behandlung eine Hormontherapie ersetzen?

Homöopathie kann nicht nur die HET ersetzen. Sie führt noch viel weiter. Die HET setzt den Körper ja nur einem Hormonspiegel aus, der von Natur aus für diese Lebensphase nicht vorgesehen ist. Das kann man eine Zeit lang machen. Irgendwann muss die HET jedoch abgesetzt werden und spätestens dann findet sich eine Frau in der veränderten hormonellen Situation. Die HET schiebt das nur hinaus. Mithilfe der Homöopathie können die Beschwerden analysiert, in den Arzneimittelbildern gespiegelt und oft sogar Lösungen für tiefer liegende Probleme gefunden werden. Die Homöopathie ist hier Begleitung bei wichtigen Entwicklungsschritten.

Hebt die Hormontherapie die Wirkung von homöopathischen Mitteln auf?

Nein, die HRT antidotiert nicht die Wirkung der Homöopathika. Man arbeitet ja auch homöopathisch unter der Einnahme von oralen Kontrazeptiva – also der Pille. Oder unter Antihypertensiva, die gegen Bluthochdruck eingesetzt werden. Die Einnahme von Hormonen verschleiert jedoch die Symptome und erschwert damit die homöopathische Arzneimittelfindung.

Welche anderen Maßnahmen empfehlen Sie Ihren Patientinnen während der Wechseljahre?

Wichtig ist ein geregelter Tag- und Nachtrhythmus, Ernährung mit frischen und selbst zubereiteten Lebensmitteln und viel Bewegung im Freien. Das Motto lautet: Weg von Fremdbestimmung – hin zu Selbstbestimmung. Werden Sie von der Gehetzten zur Lenkerin Ihres Lebens. Versuchen Sie, sich Wünsche zu erfüllen, die Sie schon immer realisieren wollten. Sich neue Aufgaben zu erschließen. Niemand hat nur eine Begabung oder ein Interesse. So manches Talent liegt brach, wartet auf Verwirklichung und kann zu einem erfüllten Leben führen. Das ist eine spezielle Chance, die die Wechseljahre bieten.

Welche Tipps haben Sie für die Partner von betroffenen Frauen?

Ich ermutige die Frauen, ihren Partnern die Veränderungen mitzuteilen, sei es die veränderte Belastbarkeit, das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, Gedanken, die kommen, Zweifel und Wünsche, das Erlebnis teilen, dass sich etwas ändert. Oft hilft das den Männern, auch bei sich mal hinzuschauen. Ansonsten hilft gemeinsam sporteln, Geduld und Verständnis. – Und sich ein Beispiel an der neuen Selbstbestimmung zu nehmen.

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