Berlin, 26. April 2024. Der Hamburger Arzt Dr. med. Mirko Berger geht in seinem Beitrag Homöopathie – Lackmustest für die wissenschaftliche Medizin auf Behauptungen über die Unwirksamkeit der Homöopathie ein. Der Bundesverband Patienten für Homöopathie (BPH) dokumentiert diesen Beitrag in vier Teilen. Teil 3 zeigt, Homöopathiestudien sind nicht schlechter als andere Studien. Die in diesem Text genannten Quellen befinden sich hier.

Die vier Teile der Serie

  1. Teil: Der Wirkmechanismus homöopathischer Arzneimittel ist unbekannt, er ist mit aktuellen pharmakologischen Modellen nicht plausibel erklärbar. Deshalb wird oft die Annahme abgeleitet, Homöopathie könne prinzipiell nicht wirksam sein. Zum Beitrag.
  2. Teil: Die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel sei nicht durch Studien belegt. Zum Beitrag.
  3. Teil: Homöopathie-Studien würde nur dann positiv ausfallen, wenn methodische Standards missachten werden, sie also von schlechter Qualität sind.
  4. Teil: Es wird gezeigt, dass die Kritik an der Homöopathie in weiten Teilen nicht übliche wissenschaftliche Standards erfüllt.

Teil 3: Homöopathiestudien sind nicht schlechter als andere Studien

Zur Erklärung: Medizinische Studien haben das Ziel, möglichst objektive und verlässliche Daten zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen einer medizinischen Maßnahme zu erheben. Wird das Ergebnis einer Studie nicht nur durch den Behandlungseffekt sondern durch weitere Umstände bestimmt, spricht man von einem systematischen Fehler, auch „Verzerrung“ oder „bias“ genannt. Die Qualität einer medizinischen Studie hängt wesentlich davon ab, wie gut es gelingt einen relevanten Einfluss von Verzerrungen zu vermeiden. Je niedriger das Verzerrungsrisiko, desto höher ist die methodische Qualität der Studie.

Es wird behauptet, Homöopathiestudien würden nur dann positiv ausfallen, wenn sie etablierte methodische Standards missachten, also von schlechter Qualität sind. Der Vergleich von Homöopathiestudien mit Studien in allen anderen Bereichen der Medizin zeigt, dass hinsichtlich ihrer Qualität kein wesentlicher Unterschied besteht.

Studienqualität – direkter Vergleich

Der einzige direkte Qualitätsvergleich von Homöopathie- und konventionellen Studien durch eine homöopathiekritische Arbeitsgruppe fällt zu Gunsten der Homöopathie aus. Eine Zusammenfassung (sog. Metaanalyse) aus dem Jahr 2005 bewertet jeweils 110 Studien aus beiden Bereichen auch in Hinblick auf ihre Studienqualität. 21 Homöopathiestudien (19 %) werden als hochwertig eingestuft, hingegen nur 9 der konventionellen Arzneimittelstudien (8 %) (49).

Studienqualität – indirekter Vergleich

Bei der vergleichenden Gegenüberstellung der Bewertungen auf der Grundlage der wissenschaftlichen Literatur unterscheidet sich die Qualität von Homöopathiestudien (32) nicht von der konventioneller Arzneimittelstudien (50). Das Risiko für Verzerrung hat in beiden Bereichen in etwa das gleiche Ausmaß.

Risiko für Verzerrung

Homöopathie                               sonst. Medizin

(75 Studien)                                    (1.442 Studien)

gering  4 %  6 %
unklar 36 % 33 %
hoch 60 % 61 %

 

Studienqualität – konventionelle Studien

Wie oben ersichtlich, ist das Risiko für Verzerrung von Studienergebnissen in allen Bereichen der Medizin überwiegend hoch – die Qualität der Studien also meist gering oder zumindest unklar. Vielfach fehlen belastbare Studienergebnisse, aus denen die Wirksamkeit von (möglicherweise nebenwirkungsträchtigen) Behand-lungsmaßnahmen verlässlich abgeleitet werden kann.

Beispiele:

  • Das Ergebnis einer aktuellen Analyse aus dem Jahr 2022 wertet die Qualität der medizinischen Empfehlungen in 1.567 hochrangig publizierte Studien im Zeitraum von 1/2008 bis 3/2021 aus. Auch diese Erhebung zeigt, lediglich 5,6 % der untersuchten Maßnahmen weisen qualitativ hochwertige Belege für ihre Wirksamkeit auf (51).
  • Zwischen 2014 und 2016 hat die europäische Arzneimittelbehörde 32 Krebsmittel auf der Basis von insgesamt 54 Studien neu zugelassen. Das Risiko für Verzerrung der Ergebnisse wird für 49 % der Studien als hoch eingestuft (52).
  • Die Empfehlungen der ärztlichen Leitlinien großer amerikanischer Fachgesellschaften für Herz-Kreislauferkrankungen (2008 bis 2018) basieren lediglich in 8,5 % auf qualitativ hochwertigen Studienergebnissen (53).
  • Im Rahmen eines deutschen Forschungsprojektes (Erarbeitung von Empfehlungen zum Umgang mit fünf häufig verordneten Medikamentengruppen bei älteren Patienten) wurde auch die Qualität der eingeschlossenen Studien analysiert. Lediglich 8 von 110 wissenschaftlichen Arbeiten wiesen eine hohe methodische Qualität auf. Der Erstautor Prof. Sönnichsen, ehemals Leiter des renommierten „Netzwerkes für Evidenzbasierte Medizin“, formuliert die Schlussfolgerung: „Wissenschaftliche Arbeiten in der medizinisch-klinischen Arzneimittel-forschung weisen gravierende Qualitätsmängel auf, wodurch es bei identischen Fragestellungen zu diskrepanten Bewertungen kommt. Dies führt nicht nur zu einer erheblichen Gefährdung von Patienten, sondern auch zu einer inakzeptablen Vergeudung von Ressourcen, sowohl im wissenschaftlichen als auch im klinischen Bereich“ (54).

Studienqualität – selektive Veröffentlichung

Zur Erklärung: Der Begriff Publikationsbias bezieht sich auf den Umstand, dass Studien mit negativen Ergebnissen häufig nicht publiziert werden. Das kann dazu führen, dass die tatsächlich veröffentlichten Studien lediglich einen ausgewählten Teil der Forschung darstellen, nämlich den mit überwiegend positiven Ergebnissen. Nur die Ergebnisse aller durchgeführten Studien spiegeln jedoch die wissenschaftliche Datenlage korrekt wider. Es besteht die Verpflichtung, alle ab-geschlossenen Studien zu veröffentlichen, auch wenn sie zu einem negativen Ergebnis kommen. Um die Transparenz sicherzustellen, sollen sie vor Studienbeginn in einem öffentlich zugänglichen Register angemeldet werden.

Eine Analyse aus dem Jahr 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass 38 % der registrierten Homöopathiestudien nicht veröffentlicht wurden. Die Autoren sehen darin einen „besorgniserregenden Mangel an wissenschaftlichen und ethischen Standards im Bereich der Homöopathie und ein hohes Risiko für Verzerrung der Berichtserstattung“ (55). Dieser Umstand wird in der aktuellen Debatte um die Homöopathie kritisiert und auch von Gesundheitspolitikern als Argument gegen die Homöopathie verwendet.

Um die Vorverurteilung der Homöopathie zu rechtfertigen, ist es offensichtlich notwendig, mit zweierlei Maß zu messen. Denn es wird ignoriert, dass bereits die Autoren der oben genannten Analyse selbst darauf hinweisen, dass die bevorzugte Veröffentlichung von positiven Studienergebnissen kein Phänomen ist, dass nur die Homöopathie betrifft. Bereits in der o.g. Publikation wird anhand etlicher Beispiele gezeigt, dass die verzerrte Berichterstattung in der konventionellen medizinischen Forschung sogar ein größeres Ausmaß hat, zumindest ebenso ausgeprägt ist, wie in der Homöopathieforschung (56-60). Dieser Umstand betrifft auch deutsche Universitäten. Die falsche Einschätzung von Wirkung und Nebenwirkung aufgrund der Zurückhaltung von Studienergebnissen kann beim Einsatz nebenwirkungs-reicher Medikamente tödliche Folgen haben (61).

Beispiele:

  • Zwischen 2014 und 2017 blieben 33 % Prozent der Studien, die an deutschen medizinischen Universitäten durchgeführt wurden, unveröffentlicht (62). Das betrifft an amerikanischen universitären Zentren 34 % der Studien (63).
  • Eine Analyse großer Studienregister mithilfe einer speziell entwickelten Software zeigt, dass von 26.000 registrierten Studien 45 % nicht veröffentlicht wurden. Dies ist auch ein ethisches Dilemma, weil ca. 8 Millionen Menschen an z.T. risikobehafteten Studien teilnahmen, deren Ergebnisse der Fachwelt nicht zugänglich gemacht wurden (60).

Fazit: Die Qualität von Wirksamkeitsstudien ist in weiten Teilen der Medizin unzureichend. Dieser Umstand ist allgemein zu kritisieren. Ihn einseitig der Homöopathie zur Last zu legen und bei sonstigen medizinischen Studien auszublenden, ist unredlich und wissenschaftlich unseriös.

Hinweis: Die ausführliche Version des Beitrages und das Quellenverzeichnis finden Sie hier.

—————————

BPH-Informationen zur Homöopathie

  • Informationen zur Selbstbehandlung mit Homöopathie, Arzneimittelbildern und Erkrankungen erhalten Sie hier.
  • BPH-Broschüre Homöopathie to go können Sie durchblättern und online für 5,50 Euro bestellen.
  • Aktuelle Informationen zur Homöopathie Forschung.
  • Informationen zu homöopathischen Arzneimitteln beim BfARM
  • Gesetzliche Krankenkassen und private Zusatzversicherungen, Informationen gibt es hier.

Der BPH gestaltet den Patienten-Tag auf dem Deutschen Ärztekongress für Homöopathie am 11. Mai 2024 in Lindau / Bodensee.

Patiententag Homöopathie Lindau

Patiententag Homöopathie in Lindau / Bodensee