Jens Spahn, CDU/CSU

DZVhÄ: Eine Allensbach-Studie zeigte 2009, dass mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland selbst schon einmal homöopathische Mittel verwendet hat (53 Prozent). Erhebungen von Krankenkassen sprechen sogar von 68 Prozent. Die besonderen Therapierichtungen spielen im Gesundheitssystem allerdings eine nur untergeordnete Rolle. Werden Sie sich des Themas annehmen und die Homöopathie als komplementäre Methode politisch unterstützen?

Spahn: Die CDU setzt sich seit jeher für die freie Arztwahl und für die Therapiefreiheit der Ärzte ein und wird dies auch weiterhin tun. Sie hat den Naturheilmitteln und der Naturheil-Medizin seit jeher große Bedeutung beigemessen und dafür Sorge getragen, dass die besonderen Therapierichtungen nicht gänzlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen wurden.

DZVhÄ: Evidence based Medicine (EbM) spielt in der konventionellen Arztpraxis eine nur untergeordnete Rolle. Warum werden Ihrer Meinung nach aber EbM-Regeln als Maßstab für die ärztliche Homöopathie herangezogen?

Spahn: Im Bereich der ambulanten ärztlichen Versorgung gilt der sogenannte Erlaubnis-Vorbehalt. Das bedeutet, dass Untersuchungs- und Behandlungsmethoden so lange keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind und somit von Ärzten nicht zu Lasten der GKV angewendet werden können, bis der gemeinsame Bundesausschuss hierzu ein positives Votum abgegeben hat. In diesem Rahmen wird auch überprüft, ob es sich bei der Maßnahme um eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse handelt. Zudem wird im Gesetz darauf hingewiesen, dass bei Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen, zu denen auch homöopathische Arzneimittel gehören, der besonderen Wirkungsweise Rechnung zu tragen ist.

DZVhÄ: Es liegen zahlreiche positive Studien der unterschiedlichsten Designs zur Homöopathie vor. Weitere Forschung ist aber nötig. Werden Sie sich für die öffentliche Förderung der Forschung in diesem Gebiet einsetzen?

Spahn: Bereits in der laufenden Legislatur konnte der öffentliche Forschungsbereich Gesundheit ausgebaut werden. Es ist uns ein Anliegen, dass auch zukünftig im lebenswichtigen Gesundheitsbereich ausreichend und zweckmäßig aus öffentlichen Mitteln investiert wird.

DZVhÄ: Haben Selektiv-Verträge mit Krankenkassen aus Ihrer Sicht eine Zukunft?

Spahn: Wir haben auch im Sinne eines freiheitlichen und wettbewerblich ausgestalteten Gesundheitswesens die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Leistungserbringer und Krankenkassen Möglichkeiten für selektivvertragliche Regelungen haben, die insbesondere der Situation vor Ort Rechnung tragen. Dabei darf es aber grundsätzlich im Nebeneinander der Kollektiv- und Selektivverträge nicht zu einer Aushöhlung der Verträge kommen, die für alle Vertragsärzte gelten und damit der Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung dienen.

DZVhÄ: Es gibt in Deutschland ca. 10.000 rein privatärztlich niedergelassene Ärzte, davon praktizieren etwa 10 Prozent Homöopathie. Sehen Sie in der Zukunft ein Modell, in dem sich alle Patienten von diesen Ärzten behandeln lassen können?

Spahn: Die Unabhängigkeit der freien Gesundheitsberufe im Krankenversicherungssystem bilden für uns den Kern eines freiheitlichen Gesundheitswesens. Mit dem Versorgungsstrukturgesetz haben wir wichtige Anreize gesetzt, die es für Ärztinnen und Ärzte attraktiver machen, sich an der vertragsärztlichen Versorgung, auch in unterversorgten oder drohend unterversorgten Gebieten zu beteiligen. Damit ist es jedem Arzt freigestellt, sich im Rahmen der Bedarfsplanung mit dem Ziel einer flächendeckenden, hochwertigen Gesundheitsversorgung auf freiwerdende Kassenarztsitze zu bewerben. Darüber hinaus ist es bereits heute im Rahmen der Kostenerstattung möglich, nach vorheriger Absprache mit der Krankenkasse auch Nicht-Vertragsärzte aufzusuchen.

DZVhÄ: Chronisch kranken Patienten – sie sind häufig schulmedizinisch austherapiert – kann der homöopathische Arzt zumeist helfen. Das zeigen die subjektiven Einschätzungen von Ärzten und Patienten und die objektiven Daten aus der Versorgungsforschung. Bezahlen muss der Patient die Therapie aber selber. Sollte die starre Abgrenzung der Homöopathie in der GKV nicht gelockert werden?

Spahn: Wir bekennen uns zum Wettbewerb der Kassen als ordnendes Instrument für eine hochwertige wie effiziente Versorgung. Dazu zählt aus unserer Sicht auch die Möglichkeit, sich bei Satzungsleistungen, Wahl- und Zusatztarifen sowie differenzierten Versorgungsangeboten zu unterscheiden. In diesem Rahmen können Versicherte unter anderem Wahltarife zur Kostenerstattungen oder auch im Bereich der Homöopathie abschließen bzw. Kassen entsprechende Satzungsleistungen anbieten.

DZVhÄ: Versorgungsforschung ist die einzige Forschung, die einen konkreten Bezug zum Praxisalltag hat. Ihre Ergebnisse haben aber einen nur geringen Stellenwert. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Spahn: Eine wichtige Säule der Versorgungsforschung ist der Zugang und die Nutzung valider Datenquellen. Nutzbare Routinedaten sind oft vorhanden, diese sind jedoch noch nicht ausreichend. Wir setzen uns dafür ein, dies unter Berücksichtigung des sensiblen Datenschutzes in diesem Bereich zu verbessern. Dies wird auch für einen höheren Stellenwert der Versorgungsforschung beitragen.

DZVhÄ: Wie können die ärztlichen Verbände aus der Komplementärmedizin Sie in Ihrer politischen Arbeit unterstützen?

Spahn: CDU und CSU pflegen einen engen Kontakt sowohl zu den Leistungserbringern als auch zu den Kostenträgern sowie den Betroffenen im Gesundheitswesen. Ein enger Austausch ist hier notwendig, um mit den Erkenntnissen aus der Praxis sachgerechte gesetzliche Lösungen zu finden.

DZVhÄ: Wer wird der nächste Gesundheitsminister?

Spahn: Das wüsste ich auch gern.

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