Die atopische Dermatitis gilt in der konventionellen Medizin als nicht heilbar. Sie ist eine chronische Hautkrankheit, die auch als Neurodermitis oder atopisches Ekzem bekannt ist. Jüngst berichtete Die Naturheilkunde über die Bedeutung der genetischen Disposition sowie über endogene und exogene Auslösefaktoren (Trigger) der Erkrankung. Auch die konventionelle Therapie mithilfe von Antihistaminika, Kortison und Immunsuppressiva wurde in dem Werk aufgegriffen. Vor dem Hintergrund, dass eine konventionelle Therapie erhebliche Risiken für die ohnehin belasteten Neurodermitis-Patienten birgt und ausschließlich eine Symptombehandlung oder -unterdrückung anbietet, wenden sich viele Erkrankte während oder nach einer konventionellen Behandlung komplementären Heilmethoden wie der Homöopathie zu.

Schwere chronische Erkrankungen wie Migräne, Neurodermitis, Asthma bronchiale, Colitis ulcerosa oder rheumatische Erkrankungen, für die in der konventionellen Medizin meist nur eine Linderung der Beschwerden möglich ist, gelten in der ärztlichen Homöopathie grundsätzlich als heilbar.

6 Mio. Betroffene in Deutschland

Der Bundesverband Neurodermitiskranker in Deutschland (BNKD) berichtet auf Grundlage von Zahlen der Krankenkassen, dass rund sechs Millionen Menschen in Deutschland an Neurodermitis leiden – Tendenz steigend. Laut aktuellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind allein 8,1 Prozent der Jungen und 7,3 Prozent der Mädchen davon betroffen. „Wir raten unseren Mitgliedern von einer Behandlung mit Kortison und insbesondere mit Zytostatika – also Immunsuppressiva wie Tacrolimus oder Pimecrolimus – grundsätzlich ab, da Zytostatika nachweislich Krebs erregen können“, sagt Jürgen Pfeifer, Vorsitzender und Bundesgeschäftsführer des BNKD. Trotzdem steigen die Verschreibungen durch Ärzte weiter an. Über vier Milliarden Euro pro Jahr werden derzeit mit verschreibungspflichtigen Neurodermitis-Medikamenten umgesetzt.

Der BNKD sammelt seit 25 Jahren Rückmeldungen von seinen Mitgliedern zum Erfolg unterschiedlicher Therapien bei Neurodermitis. Die Erfahrung zeigt: „Es ist immer einen Versuch wert, sich an einen guten homöopathischen Arzt zu wenden“, so Pfeifer. „Wir prüfen auch die Nachhaltigkeit von Therapien und befragen unsere Patienten sechs und 18 Monate nach einer Behandlung erneut“, erklärt Pfeifer, „Erfolge durch eine homöopathische Behandlung haben eine bessere Beständigkeit als Therapien, bei denen Symptome nur kurzfristig ausgeschaltet werden. Wir halten die anamnestische Befragung bei der Neurodermitis-Behandlung für sehr wichtig.“

Probleme und Chancen der homöopathischen Behandlung

Grundsätzlich ist die homöopathische Neurodermitisbehandlung bei Kindern und Jugendlichen deutlich erfolgversprechender als bei Erwachsenen. Erwachsene leiden oft seit Jahren oder Jahrzehnten an ihrer Neurodermitis und haben sie mit unterschiedlichen Therapieverfahren behandelt. Die Folge ist eine starke Veränderung des individuellen Symptombildes, das eine homöopathische Behandlung erheblich erschwert. In diesen Fällen erzielt die Homöopathie selten schnelle Erfolge und fordert viel Geduld vom Patienten wie vom Arzt.

Die ersten Wochen oder Monate der Behandlung bis zu einer ersten Besserung „durchzuhalten“ erfordert gegenseitiges Vertrauen. Eine zu hohe Erwartungshaltung an vermeintliche „Wunder-Globuli“, Ungeduld, der weitere Gebrauch von unterdrückenden Salben und deren „heimliche“ Anwendung, eine fehlende Öffnung des Patienten oder zu wenige aussagekräftige Symptome sind therapieerschwerende Faktoren. Erst wenn diese Probleme bewältigt oder vermieden wurden, lassen sich mit der homöopathischen Neurodermitisbehandlung Erfolge erzielen.

Ein zentrales Problem bei der Anamnese von Kindern und Kleinkindern ist der Mangel an subjektiv geschilderten Symptomen der Patienten selbst. Kleine Kinder können nicht selbst Auskunft darüber geben, welche Beschwerden die Neurodermitis bei ihnen auslöst, was sie empfinden oder was den Juckreiz verschlimmert oder bessert. Auch zu psychischen, allgemeinen und lokalen Symptomen gibt es keine „eigenen“ Angaben. Der homöopathische Arzt ist auf die Schilderung der Eltern angewiesen, die die Gefahr einer mangelhaften Objektivität beinhalten. Eltern gewichten Symptome falsch, unter- oder überbewerten sie. Häufig werden von Eltern kausale Zusammenhänge hergestellt, die nicht gegeben sind und falsche Ursachen benannt: „Mein Kind ist milchallergisch“, „Es liegt eindeutig an der Psyche“ oder „Schuld ist nur die Sonne“, sind Überzeugungen, die Eltern dem homöopathischen Arzt mitteilen. Der Arzt ist bei der Symptomerhebung darauf angewiesen, sehr genau nachzufragen, um Behandlungsfehler zu vermeiden, die den Patienten belasten können. Bei der Befragung wendet sich der Arzt neben den Neurodermitis-Symptomen vor allem den psychischen und allgemeinen Symptomen zu, um das Mittel zu finden, das nach § 153 des Organon der Heilkunst den besonders auffallenden und charakteristischen Symptomen des Falles entspricht.

Die notwendige, möglichst objektive Erfassung des Kindes beginnt schon im Wartezimmer. Wie sieht das Kind aus? Wie ist der Gesichtsausdruck des Kindes? Geht es offen oder schüchtern mit dem Arzt um? Wie ist die Körperhaltung, der Händedruck? Ist es freundlich oder abweisend? Folgt es bei der Anamneseerhebung den elterlichen Aufforderungen? Und wie verhalten sich die Eltern dem Kind gegenüber, insbesondere wenn sich das Kind kratzt? Kurz: Der homöopathische Arzt ist neben der Befragung auf genaue Beobachtungen angewiesen. Gelingt es dem homöopathischen Arzt, das passende Mittel zu finden, tritt bei Kindern – vor allem in den ersten zwei Lebensjahren und bei beginnender Neurodermitis – im Normalfall eine rasche Besserung des Zustands bis hin zur Heilung auf.

 

Studien zur Homöopathie bei atopischer Dermatitis

Betrachtet man die Studienlage zur Homöopathie bei atopischer Dermatitis, ergibt sich ein heterogenes Bild. Studien der Charité Berlin aus dem Bereich der Versorgungsforschung (Outcomeforschung) zeigen eindeutig die Wirksamkeit der Homöopathie bei atopischer Dermatitis und anderen chronischen Krankheiten. Randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien kommen dagegen generell seltener zu einem positiven Ergebnis für die Homöopathie. Dieser Antagonismus erfordert einen Blick in die Studien. Hier zwei Beispiele.

Ergebnisse der Outcomestudie

Die Studie „Patienten in der homöopathischen Arztpraxis” fand unter der Anleitung von Claudia M. Witt et al statt. Primäres Ziel der Studie war die Beurteilung langfristiger gesundheitlicher Veränderungen unter homöopathischer Therapie aus der Perspektive der Ärzte und Patienten. In einer prospektiven Kohortenstudie wurden 3981 Patienten (2851 Erwachsene und 1130 Kinder) rekrutiert und über zwei Jahre (Fragebogen zu 0, 3, 12 und 24 Monaten) nachträglich beobachtet. 103 klassisch-homöopathische Arztpraxen nahmen daran teil. Anhand standardisierter Fragebogen wurden Diagnosen, Anamnese, Konsultationen und Verschreibungen erhoben. 97 Prozent der Patienten hatten chronische Erkrankungen. Häufigste Diagnosen waren: atopische Dermatitis bei Kindern, allergische Rhinitis bei Männern und Kopfschmerzen bei Frauen. Aus Sicht der Patienten hat die Schwere der Beschwerden von Baseline zum Zeitpunkt nach 24 Monaten signifikant (p < 0,001) abgenommen: Auf einer von 0 bis 10 reichenden Skala (keine Beschwerden bis schwerst vorstellbare Beschwerden) verbesserten sich die Erwachsenen von 6,2 ± 1,7 auf 3,0 ± 2,2 Punkte, die Kinder von 6,1 ± 1,8 auf 2,2 ± 1,9 Punkte. Die Einschätzung der Ärzte verhielt sich ähnlich. Die Lebensqualität verbesserte sich ebenfalls deutlich, vor allem bei den Erwachsenen. Die Zahl der eingenommenen Medikamente konnte erheblich reduziert werden.

 

Ergebnisse der randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie

„Wirksamkeit einer klassisch-homöopathischen Therapie bei atopischem Ekzem“, von Joachim Siebenwirth et al. Bei dieser monozentrischen, randomisierten Doppelblindstudie wurden individuell verordnete, homöopathische Arzneien mit Placebo verglichen. Eingeschlossen wurden junge Erwachsene im Alter von 18–35 Jahren mit atopischem Ekzem. Nach einer unbehandelten Eingangsperiode von vier Wochen wurden alle Patienten 32 Wochen lang behandelt und beobachtet. Als Begleitmedikation waren nur indifferente Salben zugelassen. Hauptzielkriterium war der Multiparameter-Score (MP-Score) von Costa und Saurat.

Das Ergebnis: Von 744 gescreenten Patienten wurden 24 randomisiert und analysiert (10 Verum, 14 Placebo). „Die Schwere der Erkrankung war relativ hoch angesetzt, und die Patienten mussten auf Kortikoide gänzlich verzichten. Diese engen Einschlusskriterien führten zu dieser geringen Fallzahl“, erklärt Rainer Lüdtke von der Carstens-Stiftung, der an beiden hier vorgestellten Studien beteiligt war. Beide Gruppen waren zu Therapiebeginn vergleichbar, die Verumgruppe war allerdings signifikant schwerer erkrankt (p = 0,034, t-Test). 10 Patienten (fünf je Gruppe) brachen die Studie vorzeitig ab, vor allem wegen Nicht-Wirksamkeit der Therapie und notwendiger Begleitbehandlungen. In beiden Gruppen fiel der MP-Score deutlich: in der Verumgruppe von 54,5 ±11,0 auf 40,7 ±12,5, in der Placebogruppe von 45,9 ±7,6 auf 32,7 ±21,8, was in einem leichten, nicht signifikanten Gruppenunterschied von 5,6 Punkten zugunsten der Placebogruppe mündete (CI: –9,0 bis 20,2; p = 0,46; ANCOVA). Individualisierte homöopathische Arzneien hatten in dieser Studie zum atopischen Ekzem keinen über Placebo hinausgehenden Effekt. Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ist aufgrund der geringen Fallzahlen und des hohen Prozentsatzes nicht eingeschlossener Patienten eingeschränkt. Sprechen die Ergebnisse gegen die Homöopathie als spezifische Arzneimitteltherapie? „Das wissen wir noch nicht“, gewichtet Lüdtke die Resultate. Die Gegensätzlichkeit der Ergebnisse werfe Fragen auf, die weitere Homöopathie-Forschung einfordere, so Lüdtke: „Die Homöopathie wird sich der Diskussion stellen müssen, welchen Anteil am Erfolg der Therapie dem Arzneimittel zukommt und welche anderen Faktoren zu ihrem Erfolg beitragen.

Eine Übersicht sämtlicher Studien zur Homöopathie und weiteren komplementärmedizinischen Heilmethoden findet sich unter: www.cam-quest.org

Qualifizierte homöopathische Ärzte finden sich in der Arztsuche.

Literatur

(1) siehe: „Die Naturheilkunde“, Ausgabe 2/2011, Seite 50f.

(2) Quelle: Statista GmbH, Hamburg; online verfügbar: www.statista.com

(3) Becker-Witt C, Lüdtke R, Weißhuhn TER, Willich SN. Diagnoses and treatment in homeopathic medical practice. Forsch Komplementärmed Klass Naturheilkd 2004; 11:98-103.

Witt C, Lüdtke R, Baur R, Willich SN. Homeopathic medical practice: Long-term results of a cohort study with 3981 patients. BMC Public Health 2005; 5:115

(4) Rainer Lüdtke, Wolfgang Remy, Jürgen Rakoski, Siegfried Borelli, Johannes Ring. Wirksamkeit einer klassisch-homöopathischen Therapie bei atopischem Ekzem. Eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie. Forsch Komplementmed 2009; 16:315-323

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Copyright: Dieser Artikel ist ein Reprint. Er wurde ursprünglich in der Fachzeitschrift „Die Naturheilkunde“ (3/2011) veröffentlicht.

Link zum Thema

Interview mit Beatrix Geßner: Homöopathie bei Neurodermitis. Eine nachhaltige Linderung der Symptome ist möglich