Interview mit Andrea Galle, Vorständin der BKK VBU in Berlin. Die BKK nimmt auch seit vielen Jahren an den Selektivverträgen Homöopathie teil.

Frau Galle, warum erstatten Sie komplementäre Heilmethoden?

Wir haben die Anthroposophische Medizin, die Akupunktur, die Homöopathie, die Osteopathie und die Öldispersionsbadetherapie in den Leistungskatalog aufgenommen, weil wir Sie unseren Kunden ermöglichen wollen. Es entspricht unser Haltung Menschen, die sich eigenständig mit ihrem Weg der Gesundheit auseinandersetzen, nicht vorzuschreiben, wie sie ihr Leben zu gestalten haben. Im Übrigen hat auch der Gesetzgeber diesen Therapieformen ausdrücklich Raum gegeben.

Wo sehen Sie den Nutzen der Homöopathie und anderer ganzheitlichen Methoden?

Eine große gesellschaftliche Aufgabe ist, dass wir Menschen in ihrer Gesundheitskompetenz stärken. Die Komplementärmedizin hat hier den richtigen Ansatz, da sie die Patienten aktiv mitnimmt. Die Schulmedizin, die sehr segensreich gerade im Bereich der Akutversorgung und bei sehr schwerwiegenden Erkrankungen hilft, hat hier Schwächen – gerade beim Thema Prävention. Als Krankenkasse haben wir den Auftrag auch Prävention zu unterstützen.

Bei welchen Erkrankungen wird auf Komplementärmedizin gesetzt?

Das sind vor allem die großen Volkskrankheiten, die aufgrund unserer Lebensweise entstehen, durch unsere Ernährung, durch Stress oder zu wenig Bewegung.

Wie beurteilen Sie die Forschungssituation?

Für uns als Krankenversicherer ist es ganz wichtig, dass die angebotenen Verfahren evidenzbasiert sind. Dies gelingt nicht immer, aber auch nicht in der Schulmedizin.

Sind die Homöopathie und andere integrative Methoden teuer für die Kasse?

Exakt lässt sich das schwer sagen. Es gibt unterschiedliche Patientengruppen, die unterschiedliche Kosten verursachen. Eine Gruppe umfasst Menschen, die ein gesundheitliches Problem haben, das durch die Schulmedizin nicht gelöst werden konnte – und häufig schon enorme Kosten verursacht hat. Sie suchen einen Ausweg und nutzen zusätzlich aus einer Konsumentenhaltung heraus komplementärmedizinische Verfahren. Die weitaus größere Gruppe, oft Familien mit Kindern, geht diesen Weg aber sehr bewusst und möchte ihre Gesundheit in die Hand nehmen. Diese Menschen sind mittelfristig auch seltener krank.

Unser neuer Gesundheitsminister Jens Spahn wollte schon 2010 die Homöopathie von jeglicher Erstattung ausschließen, was möchten Sie ihm sagen?

Im Koalitionsvertrag steht zu diesem Thema nichts. Großes Thema wird wohl die Überwindung von Grenzen zwischen Systemen und Sektoren werden und dabei müssen wir auch über die Qualität der medizinischen Versorgung sprechen. Gerade bei der Prävention sehen wir viel Luft nach oben, auch um die Komplementärmedizin zu stärken.

Wie sieht für Sie die Medizin der Zukunft aus?

Die Medizin muss sich viel mehr an den einzelnen Menschen orientieren. Damit das gelingt, muss, sich jeder einzelne als sein eigener Gesundheitsmanager begreifen. Ansonsten bekommen wir die durch Zivilisationskrankheiten bedingten hohen Kosten nicht in den Griff. Und hier wird die Komplementärmedizin eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.

Foto: Andrea Galle