Dr. Michaela Geiger ist seit Juni 2019 neu gewählte 1. Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ). Im Interview spricht sie über die Homöopathie und die Herausforderungen ihrer ersten 100 Tage im Amt

Frau Geiger, welches Wort beschreibt Ihre ersten 100 Tage am besten?

Dialog. Homöopathie wird von ihren Gegnern oft so pauschal abgelehnt, dass das Gespräch über integrative Medizin verstummt. Das ist aus meiner Sicht nicht hinnehmbar. Wir brauchen daher eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, was ärztliche Homöopathie leistet und warum ihr ein fester Platz in der medizinischen Grundversorgung zukommt. Die bisherige Monokultur medizinischer Leistungen wird auch von der Mehrzahl der Patienten abgelehnt. Sie wünschen sich mehr Dialog zwischen Patienten/Patientin und Arzt/Ärztin. Das gelingt nur, wenn wir mehr Offenheit in die Debatte bringen.

Worauf haben Sie in den ersten 100 Tagen den größten Fokus gelegt?

Um eine Verbesserung unserer Kommunikation sowohl nach innen als auch nach außen. Viele Mitglieder haben sich mit E-Mails an mich gewandt, weil sie die Frage umtreibt, warum wir in den Leitmedien bislang viel zu wenig mit unseren Anliegen durchdringen. Wir werden das intern weiter diskutieren und zugleich auch den Dialog nach außen tragen. Wir haben gegen große Widerstände anzukämpfen, aber wir haben auch viele gute Argumente. Im Zentrum steht für mich daher der Leitgedanke, das Wohl der Patienten wieder in den Fokus aller medizinischen Leistungen zu rücken. Homöopathie ist ein Gewinn für die medizinische Versorgung in Deutschland und steht nicht im Widerspruch zur konventionellen Medizin. In diesem Sinne ist integrative Medizin für uns moderne Medizin.

Wie bewerten Sie die aktuelle Lage der Homöopathie?

Medizin ist eine Erfahrungswissenschaft. Das wird gerade von den Gegnern der Homöopathie oft vergessen. Dabei wünschen sich zwei Drittel aller Deutschen, dass die Krankenkassen homöopathische Leistungen übernehmen. Dieses Vertrauen kommt nicht von ungefähr. Viele Patienten haben einfach sehr gute Erfahrungen mit ärztlicher Homöopathie gemacht. Zudem gibt es eine Vielzahl valider Studien, die die Wirksamkeit der Homöopathie belegen.

Was wird Ihre Aufgabe in den nächsten 100 Tagen und darüber hinaus sein?

Unser wichtigstes Anliegen ist derzeit, allen Menschen den Zugang zu homöopathischen Therapien zu ermöglichen. Das darf keine Frage des Geldbeutels sein. Ich kämpfe daher für den Erhalt unser bisher geleisteten Meilensteine, wie SGBV, Satzungsleistungen und Selektivverträge, sowie für die Anerkennung der Homöopathie als Teil der medizinischen Grundversorgung und einer Förderung der ärztlichen Homöopathie nach dem Schweizer Modell. Nach wissenschaftlicher Prüfung der Wirksamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Homöopathie in der Schweiz, wurde sie in die obligatorische Grundversicherung aufgenommen. – Gleichberechtigt und zeitlich unbegrenzt. Das wollen wir auch unseren Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland ermöglichen.

Was stellt für Sie die größte Herausforderung dar?

Der Angriff auf die Homöopathie ist letztlich ein gut orchestrierter Angriff auf die freie Therapiewahl und die Rolle der Ärztin und des Arztes. Dahinter steckt der Gedanke, das Gesundheitswesen rein ökonomisch auszurichten. Es wird sicher noch sehr viel Überzeugungsarbeit notwendig sein, um hier ein Umdenken zu erreichen.

Sie sind hauptberuflich als niedergelassene Hausärztin und Notfallmedizinerin tätig. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Job und Ehrenamt?

Das ist zeitlich sicher nicht immer einfach. Was mich trägt und täglich motiviert ist meine Begeisterung für die ärztliche Homöopathie, den immensen Support meines Bundesvorstandes, aller Mitglieder und täglich ein Mittagschläfchen.