Von Cornelia Bajic und Curt Kösters

Ein offener Brief an die Damen und Herren „Skeptiker“

Dass die Aktion in dieser Form keinen Erkenntnisgewinn über die Homöopathie bringt, wurde an anderer Stelle bereits ausreichend dargelegt: Pro & Contra zur Kampagne 10:23

Wir haben diese Aktion dennoch mit einer gewissen Sympathie verfolgt, aus verschiedenen Gründen:

Positive Debatte: Zunächst einmal begrüßen wir jede öffentliche Debatte über die Homöopathie. Jede Auseinandersetzung ist dazu geeignet, neue Sichtweisen und Argumente hervorzubringen.

Selbstverantwortung: Ebenso wie Sie sind wir der Auffassung, dass es erwachsenen und mündigen Bürgern jederzeit gestattet sein sollte, homöopathische Arzneimittel nach eigenem Ermessen und auf eigene Verantwortung einzunehmen. Es gibt derzeit die Tendenz bei den deutschen und europäischen Aufsichtsbehörden, die homöopathische Arzneimittelprüfung als Studie entsprechend des Arzneimittelgesetzes zu betrachten. Damit wären homöopathische Arzneimittelprüfungen künftig nur noch mit erheblichen bürokratischen Einschränkungen möglich; die Weiterentwicklung der Homöopathie durch Prüfung bekannter und neuer Substanzen wäre erheblich eingeschränkt. Mit ihrem öffentlichen Selbstversuch sind Sie ganz praktisch auch für die Freiheit zum Selbstversuch eingetreten. Das begrüßen wir ungemein!

Unbedenklichkeit: Bewiesen haben Sie mit diesem Selbstversuch vor allen Dingen die Unbedenklichkeit und Sicherheit homöopathischer Arzneimittel in Hochpotenz. Auch das begrüßen wir!

Homöopathisches Prinzip: Es ist Ihnen sicherlich nicht bewusst, aber der Versuch, ein Prinzip soweit zu übertreiben, dass die Absurdität von selbst deutlich wird, und eine entsprechende Reaktion des Systems einsetzt, ist ein homöopathisches Prinzip! De facto haben Sie also mit der Aktion 10:23 eine Art von homöopathischem Mittel verwendet, zur Behandlung des (aus Ihrer Sicht) gestörten bzw. krankhaft veränderten Systems des Gesundheitswesens in Deutschland. Eine Arbeitsgruppe in WissHom beschäftigt sich ebenfalls seit Jahren mit der Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips in sozialen Systemen. Jeden praktischen Versuch zu diesem Thema finden wir spannend, selbst wenn sich das gegen uns richtet!

Aber wir haben noch ein paar Fragen zu dieser Aktion:

Zunächst einmal an die mitlesenden Homöopathen:

Warum hat es nicht funktioniert? Wie sehen Sie das? Ist die Aktion 10:23 die Anwendung eines homöopathischen Prinzips? – Aber wenn ja: Warum hat es nicht funktioniert? Ähnlich verhält es sich ja mit den Flashmops zur letzten Bundestagswahl, die im Gegensatz zu Don’t vote ebenfalls nicht so recht funktioniert haben; ebenso wie die deutsche Kopie von Don’t vote „Geh nicht wählen“. Wovon hängt es also ab, ob eine homöopathische Intervention funktioniert oder nicht? – Bevor wir dazu selbst Thesen formulieren, würde uns Ihre Meinung interessieren!

Aber auch an die Skeptiker gibt es noch Fragen:

Beteiligung von Kindern: Halten Sie es wirklich für eine gute Idee, dass an dieser 10:23-Aktion auch Kinder beteiligt waren? Wir treten jederzeit ein für das Recht erwachsener und mündiger Bürger, nach eigenem Ermessen und auf eigene Verantwortung einen Selbstversuch zu unternehmen. Und falls es im Nachgang doch noch zu irgendwelchen juristischen Konsequenzen kommt, sind wir ggf. sogar bereit, Sie da zu unterstützen!

Die Beteiligung von Kindern halten wir in diesem Setting allerdings ethisch nicht für vertretbar! – Sie schreiben unter „Homöopathie – Fragen und Antworten zur 10:23-Aktion“:

„Ab einer Verdünnung von mehr als 1023 befindet sich wahrscheinlich kein einziges Molekül der Ursubstanz mehr in dem homöopathischen Arzneimittel.“ (Nachträgliche Hervorhebung durch die Verfasser). Nun ist „wahrscheinlich“ in Ihrem Sprachgebrauch völlig neu in diesem Kontext und vermutlich der Tatsache geschuldet, dass Sie die Studie über Nanopartikel ebenfalls gelesen haben.

Aber grundsätzlich muss Ihnen doch bewusst sein, dass es immer ein Restrisiko gibt, dass Ihre Sichtweise vielleicht doch nicht richtig ist, und es doch Effekte gibt von Hochpotenzen. Dieses Risiko mag aus Ihrer Sicht vernachlässigbar klein sein, und das Risiko, dass bei einer einmaligen Einnahme einer großen Menge Globuli Effekte auftreten, ist auch aus unserer Sicht vernachlässigbar klein. Das kann nur passieren, wenn es eine zufällige Übereinstimmung zwischen individuellem Symptomenmuster und der gewählten Arznei gibt. Und selbst wenn es Effekte gibt, sind diese praktisch immer reversibel und hinterlassen in der Regel einen Organismus, der durch die dann ja zufällig wirklich passende homöopathische Gabe eher gestärkt ist.

Problematische ungünstige Effekte sind äußerst rar und können nur auftreten, wenn es eine Art von Dissonanz gibt zwischen dem Muster des Organismus und der Arznei. Bei einer richtigen homöopathischen Arzneimittelprüfung reagiert der Prüfungsleiter in diesen seltenen Fällen, indem er ein dann passendes homöopathisches Mittel verabreicht; insofern sind die Teilnehmer auch in diesem Fall auf der sicheren Seite. Das Gleiche gilt aber nicht für Ihren Selbstversuch! – Sie mögen diese Überlegungen alle für absurd halten, aber wir bitten Sie doch herzlich, künftig keine Kinder an derartigen Unternehmungen zu beteiligen!

Geheimniskrämerei: Warum machen Sie daraus so eine klandestine Aktion? – Die genauen Aktionsorte wurden strikt geheim gehalten und nur angemeldeten Aktionisten mitgeteilt; das ist man sonst eigentlich nur von extremen politischen Randgruppen gewohnt. – Sie müssen keine Angst vor uns haben! Selbst wenn wir mal zu so einer Aktion dazu kommen; wir beißen nicht! – Herr Berger sei hier ausdrücklich als rühmliche Ausnahme erwähnt; er hat die Aktion in Wien am Stephansplatz ja so auch öffentlich angekündigt!

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