Von Dr. Markus Wiesenauer

Am 23.03.15 diskutierte Frank Plasberg in der ARD-Sendung „hart aber fair“ mit seinen Gästen u.a. über Homöopathie. Einen zweiten großen Block der Sendung bildete die derzeit omnipräsente Diskussion um die Masernimpfung. Die Verbindung zwischen diesen beiden Themen sollte die vermeintlich fehlende wissenschaftliche Argumentationsbasis von Impfgegnern und Homöopathiebefürwortern bilden.

 

Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass empirische Erhebungen klar gezeigt haben, dass Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Homöopathie“ Impfungen keineswegs pauschal ablehnen. Vielmehr zeichnen sie sich in der Regel durch einen bedachten Umgang mit den Empfehlungen der STIKO aus, der sich bei der Umsetzung der entsprechenden Leitlinien am Einzelfall orientiert. [1] Die in der Fernsehdebatte u.a. durch den Arzt und Comedian Eckart von Hirschhausen meiner Meinung nach intendierte undifferenzierte Identifikation von Homöopathen mit Impfgegnern ist somit sachlich nicht gerechtfertigt: „Mit ca. 70% hat die Mehrheit der homöopathisch ausgebildeten Pädiater in Deutschland eine positive Einstellung zum Impfen.“ [2]
Auch das bei Plasberg suggerierte Bindeglied des Irrationalen zwischen den beiden Gruppen erweist sich bei näherer Betrachtung als haltlos: Die Homöopathie ist kein Therapieverfahren, das lediglich auf Placeboeffekten beruht. Ebenfalls unrichtig ist die jüngst wieder anhand einer neuen Übersichtsarbeit [3], die viele klinische Studien im Rahmen einer sog. Meta-Analyse zusammenfasst, in den Medien aufgegriffene Behauptung, die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel sei wissenschaftlich nicht belegt. [4] [5]

 

Richtig ist vielmehr, dass in Bezug auf die Homöopathie zwar auch solche Zusammenfassungen vieler Studien existieren, die ein negatives Ergebnis haben, jedoch sind diese in der Minderheit und beruhen auf einem Vorgehen, dass der Epidemiologe Robert G. Hahn wie folgt charakterisiert hat: „Um zu der Schlussfolgerung zu gelangen, die Homöopathie habe keine klinischen Effekte, müssen mehr als 90% der verfügbaren klinischen Studien außer Acht gelassen werden.“ [6]
Von den über 700 publizierten Studien zur Homöopathie, darunter ca. 350 randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudien, weist nämlich der weitaus größte Teil ein positives Ergebnis auf. Die damals wie heute nicht zu leugnende Tatsache, dass deutlich mehr Untersuchungen existieren, die auf eine Wirksamkeit der Homöopathie hindeuten, kommentierte der Methodologe Kienle bereits 1981 mit den Worten: „[Dies] ist mit den geltenden Paradigmen unvereinbar. Es ist ein Ärgernis, das sich nur beseitigen lässt, wenn man die Versuche als solche und die Ergebnisse in Frage stellt.“ [7]
Diesen Weg wählten auch die Autoren der aktuell diskutierten Meta-Analyse: Der von der australischen Regierung in Auftrag gegebene Bericht wurde bereits in der Entwurfsphase wegen diverser methodischer Defizite kritisiert, u.a. durch das Homeopathy Research Institute (HRI). Die britischen Forscher wiesen auf die teilweise nicht nachvollziehbaren Ein- und Ausschlusskriterien für die letztendlich auszuwertenden Publikationen sowie die irreführende Präsentation der Schlussfolgerungen ihrer australischen Kollegen hin: So gaben die Autoren beispielsweise an, es existiere keine zuverlässige Evidenz dafür, dass Homöopathie bei einer bestimmten Erkrankung wirksam sei, wenn ein oder mehrere Studien mit positivem Ergebnis nicht von einem unabhängigen Forscherteam wiederholt wurden, auch wenn es sich um qualitativ hochwertige Arbeiten handelte; ein aus wissenschaftlicher Sicht äußerst ungewöhnliches Prozedere. Üblicherweise würde in solch einem Fall auf die positive Tendenz der vorliegenden Daten hingewiesen und die Einschränkung gemacht, dass es für definitive Schlussfolgerungen weiterer Forschung bedürfte. [8] Die aufgezeigten Unzulänglichkeiten wurden für die nun vorliegende Endfassung des Berichtes nicht korrigiert.

 

Wie also bereits die 2005 publizierte Meta-Analyse von Shang et al. [9], die entgegen aller vorhergehenden großen Übersichtsarbeiten zur Homöopathie [10] [11] [12] [13] zu dem Ergebnis kam, die Studienlage sei mit der Hypothese vereinbar, dass homöopathische Arzneimittel keine über Placeboeffekte hinausgehende Wirkung hätten, weist auch der neue australische Bericht schwerwiegende methodische Defizite auf, die seine starken Schlussfolgerungen äußerst fragwürdig erscheinen lassen. So bewahrheitet sich die 34 Jahre alte Prognose Kienles: „Man wird also mit dem Ärgernis leben müssen. Die Behauptung, die Wirksamkeit homöopathischer Arzneimittel ließe sich nicht nachweisen, wird mit immer größeren Schwierigkeiten kämpfen müssen.“ [7]

 

Leider wird der tatsächliche Stand der Forschung zur Homöopathie auch in der in der aktuellen Mediendebatte kaum beleuchtet, obwohl sämtliches Material über die Datenbanken der Carstens-Stiftung frei zugänglich ist. [14] [15] Eine fundiertere Recherche und ausgewogenere Berichterstattung zum Thema Homöopathie wäre somit jedem Journalisten möglich, der willens und fähig ist, sich zumindest in Grundzügen mit der Materie zu beschäftigen. Bis dahin wird es vermutlich immer wieder bei plakativen Äußerungen von der Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie bleiben, die sich dessen ungeachtet aufgrund ihrer überzeugenden therapeutischen Erfolge nach wie vor wachsender Beliebtheit unter den Patienten erfreut.

© Carstens-Stiftung : Natur und Medizin, Quelle: carstens-stiftung.de

 

Literatur
  1. Schmidt J,Bruns R, Weigel M, Rautmann C, Weitmann K, Hoffmann W (2012): Impfeinstellung und -verhalten unter niedergelassenen Pädiatern. In: ZKH ; 56 (4): 189–194 (Heruntergeladen von: Thieme Verlagsgruppe. Urheberrechtlich geschützt.)
  2. Nübling M, Lehrke P., Hofmann F, Stößel U (1997): Impfeinstellungen und -verhalten bei Ärzten mit und ohne die Zusatzbezeichnung Homöopathie. In: Gesundheitswesen 59: A88-89. > Abstract
  3. NHMRC Statement on Homeopathy and NHMRC Information Paper – Evidence on the effectiveness of homeopathy for treating health conditions. > Abstract
  4. Artikel im Tagesspiegel > Abstract
  5. Artikel in der Zeitschrift Focus > Abstract
  6. Hahn RG (2013): Homeopathy: Meta-Analyses of Pooled Clinical Data. In: Forsch. Komplementärmed., 20 (5), 376-381.
  7. Kienle G (1981): Beweisbare Homöopathie. Münch. Med. Wschr. 123(20): 118-119.
  8. https://www.hri-research.org/wp-content/uploads/2014/10/HRI-Response-to-Australian-NHMRC-Report-2014.pdf > Abstract
  9. Shang A, Huwiler-Muntener K, Nartey L, Juntherapiesi P, Dorig S, Sterne JA, Pewsner D, Egger M (2005): Are the clinical effects of homoeopathy placebo effects? Comparative study of placebo-controlled trials of homoeo-pathy and allopathy. In: Lancet, 366: 726–732.
  10. Kleijnen J, Knipschild P, ter Riet G (1991): Clinical trials of homoeopathy. In: BMJ 1991, 302: 316–323.
  11. Boissel JP, Cucherat M, Haugh M, Gauthier E (1996): Critical literature review on the effectiveness of homoeopathy: overview of data from homoeopathic medicine trials. In: Homoeopathic Medicine Research Group, Report of the Commission of the European Communities, Directorate-General XII – Science, Research and Develop-ment, Directorate E – RTD Actions. Brussels, Belgium: Life Sciences and Technologies – Medical Research.
  12. Linde K, Clausius N, Ramirez G, Melchart D, Eitel F, Hedges LV, Jonas WB (1997): Are the clinical effects of homoeo-pathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. In: Lancet, 350: 834–843.
  13. Cucherat M, Haugh MC, Gooch M, Boissel JP (2000): Evidence of clinical efficacy of homeopathy. A meta-analysis of clinical trials. In: Eur J Clin Pharmacol, 56: 27–33.
  14. Die Datenbank CORE-Hom: »Clinical Outcome REsearch in Homeopathy« > Abstract
  15. Die Datenbank HomBRex: »Homeopathy Basic Research experiments« > Abstract

Mit freundlicher Unterstützung der Carstens-Stiftung

Foto: seedo  / pixelio